Bundestagswahl 2021

    Was sagen Bremer Bundestagskandidat*innen zu sozialen Themen unserer Zeit?

    Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege sind im Land Bremen in der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG) zusammengeschlossen. Anlässlich der anstehenden Wahlen stellen sechs Praktiker*innen aus verschiedenen Feldern der sozialen Arbeit Fragen an Bremer Politiker*innen, die nach der Wahl für das Land Bremen in den Bundestag einziehen könnten. Die LAG gibt den Bremer*innen hier die Möglichkeit, die Fragen und Antworten zu lesen und sich so über soziale Themen unserer Zeit zu informieren.

     

    Unsere Mitarbeiter*innen fragen:

    Alexander Wolpers (AWO Bremen), Jürgen Füchtenbusch (Caritasverband Bremen), Stefanie Lienemann (Der Paritätische Bremen), Frauke Ehlers (DRK Bremen), Ernesto Che Wiafe (Diakonie Bremen) und Leonhard Klepikow (Jüdische Gemeinde) fragen Bremer Bundestagskandidat*innen (v.l.n.r.).

     

    Politiker*innen antworten:

    Auf die Fragen von Praktiker*innen aus verschiedenen Feldern der sozialen Arbeit antworten Politiker*innen, die nach der Wahl für das Land Bremen in den Bundestag einziehen könnten. Die Fragen betreffen die Themenfelder Pflege und Altenhilfe, Kinder und Jugendliche, Barrierefreiheit, Zuwanderung, Fachkräftegewinnung sowie Demokratie und Diversität.

     

    Für die SPD antworten Sarah Ryglewski und Uwe Schmidt. Für die CDU antworten Thomas Röwekamp und Wiebke Winter. Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN antworten Kirsten Kappert-Gonther und Michael Labetzke. Für DIE LINKE antworten Doris Achelwilm und Cindi Tuncel. Für die FDP antworten Volker Redder und Gökhan Akkamis (v.l.n.r.).

     

    Themenfeld Zuwanderung

    In den Abschlussprüfungen der Auszubildenden in Deutschland wird nicht nur Fachwissen überprüft. Durch sprachlich kompliziert formulierte Prüfungsaufgaben findet zudem auch eine nicht vorgesehene Deutschprüfung statt. Was werden Sie unternehmen, um in der kommenden Legislaturperiode die Bildungschancen von insbesondere bildungsbenachteiligten Jugendlichen zu verbessern? Würden Sie sich z.B. dafür einsetzten, dass Prüfungsaufgaben in klarer und einfacher Sprache formuliert werden? (Alexander Wolpers, AWO Bremen)

    • SPD – Uwe Schmidt und Sarah Ryglewski antworten:
      In der deutschen Bildungspolitik gilt „Bildung ist Ländersache“. Wie für alle Schulen, sind die Bundesländer auch für Berufsschulen und die Erstellung ihrer Prüfungsaufgaben zuständig. Aufgrund des Föderalismus sind die Möglichkeiten begrenzt, als Bund Einfluss auf die Bildungspolitik der Länder zu nehmen. Grundsätzlich setzt sich die SPD für die Verwendung leichter Sprache ein. Diese schafft Inklusion, baut diskriminierende Hürden ab und stärkt den gesellschaftlichen Dialog. Dort, wo es möglich ist, sollte sie auch verwendet werden. Das SPD Zukunftsprogramm gibt es im Übrigen auch in leichter Sprache.
       
    • CDU – Thomas Röwekamp und Wiebke Winter antworten:
      Für die CDU gilt: Bildungsbenachteiligte Menschen haben, wie alle Menschen mit Behinderung, ein Recht auf eine barrierefreie Gestaltung ihrer Umwelt, damit sie am alltäglichen Leben in allen Bereichen ganz selbstverständlich teilhaben und sich einbringen können. Prüfungsaufgaben in leichter Sprache können eine sinnvolle Hilfe sein für die wir uns gerne einsetzen.
       
    • BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN – Kirsten Kappert-Gonther und Michael Labetzke antworten:
      Ein gutes Bildungssystem ist der zentrale Schlüssel für gleiche Lebenschancen und Zusammenhalt in einer vielfältigen Gesellschaft. Viel zu sehr hängt der Lebenslauf in Deutschland immer noch von der Familie, dem Namen oder dem Stadtviertel ab statt von den eigenen Fähigkeiten. In Deutschland sind Bildungschancen noch immer ungerecht verteilt. Jedes Jahr verlassen über 50.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss. Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass es gute Bildung für alle gibt, überall. Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam ihre Verantwortung für gute Schulen übernehmen können. Dafür sollen alle Ebenen gemeinsam anpacken. Wir kämpfen für hochwertige und inklusive Ganztagsangebote, eine moderne digitale Ausstattung in jedem Klassenzimmer und mehr Unterstützung für Schulen in benachteiligten Stadtteilen.  Dazu brauchen wir einen modernen Bildungsföderalismus, damit alle Kinder und Jugendlichen in ganz Deutschland Zugang zu guter Bildung haben – egal woher sie kommen und wo sie wohnen. Wir wollen einen Rechtsanspruch auf gute Ganztagsbildung für Grundschulkinder mit hohen Qualitätsstandards, auf die sich Eltern, Kinder und Fachkräfte verlassen können und ein Aufholprogramm für Schulen in benachteiligten Stadtteilen. Damit aus sozialen Brennpunkten Leuchttürme der Bildungsgerechtigkeit werden können, wollen wir ungleiche Startchancen ausgleichen. Das gemeinsame Lernen muss gestärkt und die individuelle Förderung ausgebaut werden, welche sichergestellt wird durch die dauerhafte Finanzierung multiprofessioneller Teams, in denen Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen, Erzieher*innen und Schulpsycholog*innen koordiniert werden, um benachteiligte Jugendliche und ihre Familien zu unterstützen und Lernrückstände aufzuholen, die durch die Pandemie noch verstärkt wurden. Ebenso müssen wir sicherstellen, dass niemand durch finanzielle Belastung von einer Ausbildung oder einem Studium abgehalten wird. Daher wollen wir das BAföG neu aufsetzen und zu einer Grundsicherung für alle Studierenden und Auszubildenden umbauen, den Gesamtbetrag im Vergleich zum heutigen BAföG substanziell erhöhen und es Studierenden oder Auszubildenden direkt überweisen. Ein Personenkreis, der besonders unsere Unterstützung verdient, sind Geflüchtete, die in Deutschland eine Ausbildung absolvieren möchten; wir wollen Betriebe, die dies ermöglichen, besser fördern und unterstützen. Ja, wir teilen die Forderung, dass in  Prüfungssituationen all das, was Prüfungsaufgaben verständlicher macht und dabei hilft, die relevanten Inhalte zu erfassen, ermöglicht wird. Insofern spricht aus unserer Sicht nichts dagegen, Prüfungsaufgaben in Zukunft bei Bedarf in klarer und einfacher Sprache zu formulieren.
       
    • DIE LINKE – Doris Achelwilm und Cindi Tuncel antworten:
      Ja! Prüfungsaufgaben sollten in einfacher Sprache formuliert sein, damit schriftsprachliche Barrieren nicht den Prüfungserfolg schmälern oder ganz behindern. Verständliche Fragestellungen beispielsweise nach den Empfehlungen des Netzwerkes Einfach Sprache sind wichtig, um Bildungsbenachteiligung abzubauen. In den Lehrplänen und Prüfungsordnungen von Berufsschulen und Kammern müsste dieses Prinzip noch deutlich besser verankert werden (auch bei z.B. Führerschein-Lehr- und Prüfungsmaterialien und nicht zuletzt Behördenpost ist es höchste Zeit, dass die Schriftsätze verständlicher sind). Entsprechende Institute, die Handreichungen und Qualifizierung zur sog. Textoptimierung organisieren, müssen aus meiner Sicht in diese Prozesse einbezogen werden.  
       
    • FDP – Volker Redder und Gökhan Akkamis antworten:
      In Prüfungen sollte immer fachliches Wissen und der entsprechende Transfer abgefragt werden. Fragen sollten dementsprechend klar und sprachlich einfach formuliert werden. Grundsätzlich ist es wichtig, den Aufstieg durch Bildung und Leistung stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Die FDP will dafür beispielsweise eine bundesweit einheitliche hohe Bildungsqualität sicherstellen. Wir leisten uns verschiedene Schulsysteme, Lehrpläne und Prüfungsordnungen, stellen aber derzeit nicht sicher, dass die Schulbildung deutschlandweit die höchste Qualität hat. Um das zu schaffen, möchten wir ein Prozent der Mehrsteuereinnahmen zusätzlich in Bildung investieren. Das wären für Bremen etwa 20 Millionen Euro zusätzlich.
       

     


     

    Themenfeld Pflege und Altenhilfe

    Seit über 40 Jahren bin ich in der Pflege tätig. Mein ganzes Berufsleben begleitet mich der Pflegenotstand mit all seinen Schwierigkeiten. Es war schon vor der Pandemie klar, dass Pflege „systemrelevant“ ist und dringender Reformen bedarf. Wir brauchen adäquate Löhne, eine verlässliche Personalbemessung und mehr Gemeinwohlorientierung anstelle von Gewinnausschüttungen an Anteilseigner privat-gewerblicher Pflegeeinrichtungen. Ein „Weiter so“ kann keine Lösung sein. Welche nächsten Schritte zu Verbesserungen in der Pflege streben Sie an und wann und wie wollen Sie diese umsetzen? (Jürgen Füchtenbusch, Caritasverband Bremen)

    • SPD – Uwe Schmidt und Sarah Ryglewski antworten:
      Eine umfassende Pflegereform ist notwendig. Für die nächste Legislaturperiode sieht unser Wahlprogramm folgende Maßnahmen vor: Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte (Bezahlung nach Tarif und bedarfsgerechte Personalbemessung, Einführung einer sektorenübergreifenden pflegerischen Versorgung inkl. ihrer Planung), Einführung einer solidarischen Pflegevollversicherung, die alle Pflegekosten trägt (kein Eigenanteil für Pflegekosten) sowie Stärkung der häuslichen Pflege (Verbesserungen im Bereich Kurzzeit- und Verhinderungspflege, Familienpflegezeit mit Familienpflegegeld als Lohnersatz für die pflegenden Angehörigen).
      Mit der Verabschiedung des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes (GVWG) haben wir im Juli wichtige Verbesserungen zur Stärkung der Beschäftigten in der Pflege auf den Weg gebracht. Darunter fallen vor allem weitreichende Regelungen zur Stärkung der Tarifbindung in den Pflegeberufen. Ab September 2022 werden Pflegeeinrichtungen nur noch mit der Pflegeversicherung abrechnen können, wenn sie ihre Beschäftigten mindestens in der Höhe eines Pflege-Tarifvertrags bezahlen. Dadurch werden über eine halbe Million Pflegekräfte bald endlich besser verdienen. Das ist ein wichtiger erster Schritt, als nächster Schritt muss aber ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag für Beschäftigte in der Pflege folgen. Nur so können wir gewährleisten, dass Pflegekräfte für ihre wichtige Arbeit auch angemessen bezahlt werden.
      Auch in der Personalbemessung hat das GVWG mit der Umsetzung eines bundeseinheitlichen Personalschlüssels einen wichtigen ersten Schritt geleistet. Um die Arbeitsbedingungen in der Pflege spürbar zu verbessern, braucht es mehr Personal. Zur Finanzierung wurde erstmals ein jährlicher Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro zur Pflegeversicherung verankert. Aber es muss weitergehen mit Verbesserungen für die Pflege. Der nächste Schritt muss eine echte Deckelung der pflegebedingten Eigenanteile und eine solidarische Finanzierung der Pflege durch Einführung einer Pflegebürgerversicherung sein.
       

    • CDU – Thomas Röwekamp und Wiebke Winter antworten:
      Vielen Dank für Ihren Einsatz! Angesichts steigender Zahlen alter und pfle­gebedürftiger Menschen in unserer Gesellschaft bedarf es weiterhin eines solidarischen Miteinanders. Deshalb haben wir bereits in dieser Legislatur­periode beispielsweise die Bezahlung von Pflegekräften verbessert. Das Wahlprogramm von CDU und CSU (https://bit.ly/3rO0Sue) beschreibt auf den Seiten 67 bis 69 detailliert unsere weiteren Vorstellungen für die Pflege. Zusammengefasst sind diese die Verbesserung der Rahmen­bedingungen in der Pflege, die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen, eine qualitativ hoch- und gleichwertige Ausbildung und eine nachhaltige Weiterentwicklung der Pflegeversicherung. Für die Umsetzung dieser Punkte insbesondere in der Pflegelandschaft in Bremen und Bremerhaven werden wir uns im Deutschen Bundestags einsetzen. werden Diskriminierungen verringert und beseitigt. Unser Ziel ist weiterhin eine diskriminierungsfreie Gesellschaft. Deshalb wollen wir bestehende Dis­kriminierungen weiter abbauen und setzen dabei verstärkt auf Bündnisse mit und im öffentlichen Dienst, in der Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
       

    • BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN – Kirsten Kappert-Gonther und Michael Labetzke antworten:
      Es gibt im Gesundheitswesen viel zu tun: Gesundheitsämter wurden kaputtgespart, in Krankenhäusern und der Verwaltung fehlt Personal, die, die da sind, arbeiten am Anschlag. Wir wollen die Vorzeichen ändern und Vorsorge zum Leitprinzip machen: Kliniken sollen ihrem gesellschaftlichen Auftrag entsprechend finanziert werden, auch auf dem Land braucht es Zugang zu Geburtshilfe und Notfallhilfen. In der Pflege setzen wir uns ein für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Gesundheitsschutz, mehr Personal, Sicherheit für Menschen, die Pflege benötigen, und für diejenigen, die Angehörige oder Freund*innen pflegen. Wir wollen Beschäftigte in Branchen, in denen die Belastung besonders hoch ist, mit besseren Arbeitsbedingungen unterstützen. Darüber hinaus sollen die Möglichkeiten aller Arbeitnehmer*innen, selbst flexibler über die eigene Arbeitszeit zu bestimmen – gerade um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern und Zeit für sich selbst zu haben –, verbessert werden. Dafür wollen wir die starre Vollzeit umgestalten, etwa mit Hilfe eines flexiblen Arbeitszeitkorridors, und insbesondere die Sozialpartner unterstützen, flexible Arbeitszeitmodelle zum Vorteil der Arbeitnehmenden zu ermöglichen. Die 35-Stunden-Woche in der Pflege bei vollem Lohnausgleich soll zum Leitmodell werden. Um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen brauchen wir gute Möglichkeiten der Weiterqualifizierung von Hilfskräften, Wiedereinstiegsprogramme für Berufsaussteiger und eine tarifliche Bezahlung in der Pflege. Statt weiterer Großeinrichtungen sind mehr ambulante Wohn- und Pflegeformen nötig, zum Beispiel Angebote der Tages-, Kurzzeit- und Verhinderungspflege oder Pflege-Wohngemeinschaften – eingebettet in ein Umfeld, das Menschen im Alter oder bei Assistenzbedarf dabei unterstützt, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
       

    • DIE LINKE – Doris Achelwilm und Cindi Tuncel antworten:
      Ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Der Pflegenotstand ist eines der dringendsten Probleme. Der Beruf muss kurzfristig dringend aufgewertet und perspektivisch der Profitlogik entzogen werden. In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen fehlen jeweils etwa 100.000 Fachkräfte, was ganz wesentlich auch mit den stressigen Arbeitsbedingungen zu tun hat. Als LINKE fordern wir zusammen mit Aktiven aus Pflegebündnissen und Gewerkschaft seit langem eine gesetzliche Mindest-Personalbemessung und einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für alle Berufsgruppen in Krankenhäusern, bei ambulanten und stationären Pflegedienstleistern. Pflegeheime sollen möglichst nicht von renditeorientierten Konzernen betrieben werden, wir wollen, dass die Pflege wieder weitestgehend von gemeinnützigen Trägern erbracht wird. Zur Finanzierung dieser Ziele braucht es eine Pflege-Vollversicherung. Die Zeit drängt auch angesichts einer älter werdenden Gesellschaft ungemein, deshalb müssen diese Punkte schnellstens gelöst werden.
       

    • FDP – Volker Redder und Gökhan Akkamis antworten:
      Als FDP wollen wir die Pflege in Deutschland stärken. Im Mittelpunkt muss die beste Versorgung für jede Patientin und jeden Patienten stehen. Das geht nur, wenn wir ausreichend viele motivierte und zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege haben. Daher müssen wir dringend den Pflegeberuf attraktiver machen und den Pflegerinnen und Pfleger wieder mehr Zeit und Raum für ihre Arbeit geben. Wir brauchen einen Bürokratieabbau in der Pflege und den Einsatz moderner Technologie.
       


     

    Themenfeld Barrierefreiheit

    Die UN-Behindertenrechtskonvention wurde vor über 10 Jahren unterschrieben. Sie fordert Barrierefreiheit in allen Bereichen für Menschen mit Beeinträchtigungen. Bislang wurde sie nur unzureichend umgesetzt. Welche Themenfelder der UN-Behindertenrechtskonvention sind Ihnen besonders wichtig und was wollen Sie konkret tun, um Barrieren abzubauen? (Stefanie Lienemann, Der Paritätische Bremen)

    • SPD – Uwe Schmidt und Sarah Ryglewski antworten:
      Im Mai haben wir das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) im Bundestag beschlossen. Mit dem BFSG schaffen wir es, die digitale Barrierefreiheit auf europäischer Ebene zu stärken, indem wir klare Regeln zur Barrierefreiheit von Produkten setzen. Dazu gehören Elektronikprodukte wie Fernseher, Computer, Smartphones, Selbstbedienungsterminals, E-Book-Reader und Dienstleistungen, wie Apps, Mailprogramme, Computerprogramme und der Zug-Fernverkehr. Dadurch wird es für Menschen mit Behinderung einfacher. Was mit dem BFSG aber nicht erreicht wurde, ist eine komplette Abschaffung jeglicher Barrieren.
      Barrierefreiheit im analogen wie im digitalen Bereich ist eine Grundvoraussetzung zur gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Kommunen haben aber vielfach nicht die Mittel, um eine Barrierefreiheit in der Fläche umzusetzen. Darum brauchen wir ein Bundesprogramm Barrierefreiheit, das an vielen Stellen dort unterstützt, auch durch finanzielle Mittel, wo die Umsetzung stockt. Das Programm soll einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen in der Stadt und auf dem Land leisten.
      Die Förderung von barrierefreien kleinen Bahnhöfen mit einem Fahrgastaufkommen von bis zu 1000 Menschen am Tag kann ein Schlüsselprojekt für gelungene Inklusion im öffentlichen Verkehrsbereich sein. Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Umbau der Verkehrsinfrastruktur möglichst schnell erfolgt.
      Seinen Wohnort frei zu wählen, ist wesentliche Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Wir setzen uns dafür ein, dass der große Mangel an barrierefreiem bzw. allgemein zugänglichem Wohnraum behoben und die barrierefreie Erschließung von Gebäuden und die barrierefreie Ausstattung von Wohnungen durch eine Koppelung der Förderung des sozialen Wohnungsbaus an eine hinreichend barrierefreie Ausgestaltung gewährleistet werden.
      Darüber hinaus wollen wir Barrierefreiheit im Bereich von Information und Kommunikation auch für den privaten Bereich definieren und verbindlich vorschreiben.
       
    • CDU – Thomas Röwekamp und Wiebke Winter antworten:
      Auch hier können wir auf das Wahlprogramm von CDU und CSU verwei­sen. Wir wollen erreichen, dass Menschen mit Einschränkungen, ältere Menschen oder zeitweise Erkrankte das tun können, was für alle selbstver­ständlich ist: den ÖPNV benutzen, einen Geldautomaten aufsuchen oder die Nachrichtensendung verfolgen. Dafür werden wir das Behinderten­gleichstellungsgesetz weiterentwickeln. Unser Ziel ist ein inklusiver erster Arbeitsmarkt. Das Potenzial von Fachkräften mit Behinderungen bleibt viel­fach noch immer ungenutzt. Gemeinsam mit den Schwerbehindertenver­tretungen wollen wir das betriebliche Eingliederungsmanagement stärken sowie Frühwarnsysteme und effiziente Präventivmaßnahmen ausbauen.Werkstätten für behinderte Menschen sind wichtig, weil sie dort am Ar­beitsleben teilnehmen können. Für ein zukunftsfähiges Entgeltsystem wer­den wir die Berechnung des Werkstattlohns neu regeln und gleichzeitig die derzeitige Deckelung des Arbeitsförderungsgeldes aufheben. Damit haben die Werkstattbeschäftigten mehr Geld in der Tasche und die Werkstätten werden finanziell entlastet. Wir setzen uns dafür ein, dass jeder Mensch ein Recht auf digitalen Zugang hat, auch Menschen, die in Einrichtungen leben. Eine barrierefreie Medienvielfalt in Deutschland spielt für uns eine zentrale Rolle. Menschen mit Behinderungen sollen ihr Recht auf informato­rische Selbstbestimmung wahrnehmen können.
       
    • BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN – Kirsten Kappert-Gonther und Michael Labetzke antworten:
      Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe und auf Schutz vor Diskriminierung in allen Bereichen der Gesellschaft. Basierend auf der UN-Behindertenrechtskonvention und dem Grundsatz der Selbstbestimmung werden wir Inklusion vorantreiben und wollen deren verbindliche Umsetzung mit einer Enquete-Kommission begleiten.  Leistungen zur Teilhabe müssen in jeder Phase allgemeiner, beruflicher und hochschulischer Bildung gewährt sein. Wir wollen einen inklusiven Arbeitsmarkt schaffen und dafür Arbeitgeber*innen, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, besser unterstützen. Die Selbstvertretungsstrukturen werden wir stärken und absichern. Arbeitgeber*innen, die hingegen nicht genügend schwerbehinderte Menschen beschäftigen, sollen eine höhere Ausgleichabgabe zahlen, die wir in die Förderung inklusiver Beschäftigung investieren werden.   Wir wollen das heutige Werkstattsystem zu einem System von Inklusionsunternehmen weiterentwickeln, in dem Menschen mit Behinderungen über die Inanspruchnahme von bedarfsgerechten Nachteilsausgleichen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mindestens auf Mindestlohnniveau ermöglicht wird. Wir werden Arbeitnehmer*innen-Rechte sicherstellen und fördern den Wechsel in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Tagesförderstätten wollen wir in diesen Prozess mit einbeziehen. Das Budget für Arbeit werden wir ausbauen und Menschen, die es nutzen, in der Arbeitslosenversicherung absichern.  Unser Ziel ist es, das Bundesteilhabegesetz weiterzuentwickeln und Teilhabe zu garantieren – kein Poolen von Leistungen gegen den Willen der Betroffenen, echtes Wunsch- und Wahlrecht, Leistungen unabhängig von Einkommen und Vermögen der Leistungsberechtigten und ein Bundesteilhabegeld. Anträge auf Teilhabeleistungen sollen einfach und unbürokratisch sein und Entscheidungen im Sinne der Menschen mit Behinderung schnell erfolgen.  
    • DIE LINKE – Doris Achelwilm und Cindi Tuncel antworten:
      Insgesamt gibt es noch viel zu viele Barrieren in praktisch allen Bereichen des Alltags – von der Haltestelle über die Situation zu weniger (gut funktionierender) Fahrstühle und Hinweissysteme auf Bahnhöfen oder öffentlichen Knotenpunkten, in öffentlichen Gebäuden bis hin zum Arbeits- oder Wohnungsmarkt und den Medien; insgesamt kann von einer inklusiven Gesellschaft nicht annähernd gesprochen werden, auch wenn die Aufmerksamkeit und das Problembewusstsein ein Stück weit gesteigert werden konnten. Unhaltbar ist z.B., wenn die Verpflichtung der Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit weiterhin häufig eher blockiert statt offensiv unterstützt wird oder Menschen zur Kostenreduzierung in Heime gezwungen werden können. Als wichtig erachte ich, dass die Politik die Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes Leben aller sicherstellt, was unter vielem anderen bedeutet, dass (mindestens) der öffentlich geförderte Wohnungsbau ausreichend barrierefreie Wohnungen mit einplanen muss. Es muss offensiver dafür gearbeitet werden, den Arbeitsmarkt zu öffnen, damit es beschäftigungspolitisch möglichst keine „Sonderwelten“ gibt. Die in Werkstätten für Menschen mit Behinderung geleistete Produktion muss zum Mindestlohn bezahlt werden und bedarf einer grundlegenden Reform unter Beteiligung der Interessenverbände für Menschen mit Beeinträchtigung. Wir wollen, dass politische Bedarfe in diesem Bereich stärker identifiziert und als dringlich zu lösende Aufgabe systematisch in die kommenden Reform- und Transformationsprozesse einbezogen werden.
       
    • FDP – Volker Redder und Gökhan Akkamis antworten:
      Als FDP setzen wir uns für die vollständige Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ein. Alle der Punkte sind wichtig, aber natürlich ist die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum von großer Bedeutung. Das sind öffentliche und private Gebäude, aber natürlich auch die Barrierefreiheit der Fortbewegung. Da gibt es in ganz Deutschland noch viel Nachholbedarf, auch insbesondere bei der Deutschen Bahn. Da können beispielsweise blinde oder sehbehinderte Menschen besser unterstützt werden, in dem wichtige Informationen (etwa Wagennummern) im Türbereich auch per Ton bereitgestellt werden. Außerdem darf das Versagen von Aufzügen in Bahnhof nicht zu einer regelmäßigen Einschränkung der Mobilität führen.
       

     

    Themenfeld Fachkräftegewinnung

    Das Bundesteilhabegesetz sieht z.B. vor, dass alle beteiligten Fachkräfte gemeinsam mit einem Kind und seinen Eltern die individuellen Förderziele vereinbaren. Weil aber auf wenigen Fachkräften ein zu hoher Arbeitsdruck lastet, Strukturen der multiprofessionellen Zusammenarbeit fehlen oder nicht genutzt werden, findet eine gemeinsame Zielvereinbarung oft nicht statt. Wie wollen Sie mehr Fachkräfte für die Arbeit mit Kindern mit und ohne Förderbedarf gewinnen? (Frauke Ehlers, DRK Bremen)

    • SPD – Uwe Schmidt und Sarah Ryglewski antworten:
      Der SPD ist es auch mit Blick auf die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes ein wichtiges Anliegen, dass die Fachkräftegewinnung im Bereich der Eingliederungshilfe verbessert wird. Wohlwissend, dass die Zuständigkeit für die Aus- und Weiterbildung von Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspflegern sowie Heilpädagoginnen und Heilpädagogen bei den Ländern liegt, wird sich die SPD auf Bundesebene im regelmäßigen Austausch mit den Ländern für die Fachkräftegewinnung und die Verbesserung von Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen im Bereich der Eingliederungshilfe einsetzen.
       
    • CDU – Thomas Röwekamp und Wiebke Winter antworten:
      Sie sprechen, mit dem Fachkräftemangel, ein Thema an, dass schon heute sehr viele Bereiche und Branchen betrifft, und das auf Grund der Alters­struktur unserer Gesellschaft zukünftig noch sehr viel relevanter werden wird. Aus unserer Sicht bedarf es einer Vielzahl von Maßnahmen um dem Fachkräftebedarf, auch für die Arbeit mit Kindern mit und ohne Förder­bedarf zu decken. Dazu gehört die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung, der Ausbau digitaler Lehr-und Lernangebote, eine attraktive Weiterbildungsförderung einschließlich eines zu einem Instrument der individuellen Förderung des Lebensunterhalts von Bildung und Weiter­bildung weiterentwickelten BAföG, die Aktivierung von Menschen, die bisher nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung standen und eine gesteuerte Fachkräfteeinwanderung.
       
    • BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN – Kirsten Kappert-Gonther und Michael Labetzke antworten:
      Die pädagogischen Fachkräfte in KiTas, Horten oder Schulen tragen eine hohe Verantwortung, denn sie prägen den Lebensweg von Kindern bereits in sehr frühen Jahren entscheidend mit. Doch diese Verantwortung spiegelt sich noch nicht ausreichend in der Bezahlung der Fachkräfte wider. Für die wichtige Arbeit, die Erzieher*innen, Lehrkräfte und andere Pädagog*innen im Bildungssystem und in der Jugendhilfe leisten, brauchen sie einen guten Lohn und gute Arbeitsbedingungen. Mit einer wirkungsvollen Fachkräfteoffensive wollen wir zudem für faire Ausbildungsvergütungen, Weiterentwicklungsmöglichkeiten und gute Arbeitsbedingungen sorgen, dabei darf die Ausbildung zum Erzieherinnenberuf nicht am Schulgeld scheitern. Um den Mangel an pädagogischen Fach- und Lehrkräften mit gut qualifiziertem Personal nachhaltig bewältigen zu können, wollen wir mit einem Bund-Länder-Programm hochwertige Quereinstiegsbildung fördern, bestehende Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote stärken und gemeinsame Qualitätsstandards sichern.
    • DIE LINKE – Doris Achelwilm und Cindi Tuncel antworten:
      IIm Teilhabeplanverfahren ist eine individuelle und beteiligungsorientierte Vereinbarung über Ziele und Herausforderung festgeschrieben. In den Behörden und bei den Trägern müssen die entsprechenden Fachkräfte vorhanden sein, um diesen (Rechts-)Anspruch auch praktisch einzulösen. Um mehr Menschen für diese wichtige Aufgabe zu interessieren, wollen wir soziale und erzieherische Berufe insgesamt und in der Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigung deutlich aufwerten. Die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen in diesem Bereich müssen besser und auch für den zweiten Bildungsweg attraktiv werden, was derzeit absolut nicht die Situation ist. Die Hürden durch gute Bafög-Regelungen und bessere Löhne abzubauen, erfordert öffentliches Geld, das hier verstärkt eingesetzt werden muss.
       
    • FDP – Volker Redder und Gökhan Akkamis antworten:
      Um hier den Fachkräftemangel zu beheben, gilt es mehr zu qualifizieren. Wir haben uns daher für mehr Studienplätze in sozialer Arbeit in Bremen und die Einrichtung des Studiengangs an der HS Bremerhaven eingesetzt. Auch haben wir erfolgreich für den Erhalt des Studiengangs Psychologie gestritten. Das hilft sehr dabei, den Bedarf an Fachkräften in diesem Bereich zu erhöhen.
       

     

    Themenfeld Kinder und Jugendliche

    Wie stellen Sie sicher, dass die Träger der Kinder- und Jugendhilfe die finanziellen Ressourcen bekommen, um auf die Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche zu reagieren? (Ernesto Che Wiafe, Diakonie Bremen)

    • SPD – Uwe Schmidt und Sarah Ryglewski antworten:
      Die SPD hat maßgeblich dafür gesorgt, dass die Kinder- und Jugendhilfe im Jahr 2021 ein wichtiges Update erhalten hat. Wir haben uns erfolgreich u.a. für Hilfen aus einer Hand, mehr Beteiligung der Betroffenen, Verbesserungen im Kinderschutz sowie für Pflegekinder und junge Volljährige eingesetzt.
      Die Förderung junger Menschen ist uns besonders wichtig. Zuletzt hat maßgeblich die SPD für ein „Aktionsprogramm Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ gesorgt. Mit insgesamt 2 Milliarden Euro unterstützt der Bund, dass Kinder Versäumtes im sozialen Leben und pandemiebedingte Lernrückstände aufholen können. Freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe können seit Juli Anträge über ihre bundeszentralen Verbände oder die Zentralstellen des Kinder- und Jugendplanes des Bundes (KJP) an das BMFSFJ stellen. Die ersten Angebote sind bereits in den Sommerferien ab Juli gestartet.
      Wir unterstützen einen ganzheitlichen Bildungsansatz, der sowohl schulische als auch außerschulische Angebote berücksichtigt. Diesen werden wir auch weiterhin auf den unterschiedlichen staatlichen Ebenen konsequent verfolgen.
       
    • CDU – Thomas Röwekamp und Wiebke Winter antworten:
      Viele Kinder und Jugendliche wurden in der Corona-Pandemie in ihrer Entwicklung besonders beeinflusst. Vor allem Lernschwächere brauchen Aufmerksamkeit, damit sie Rückstände aufholen und ihre Lernmotivation zurückgewinnen können. Um die Bildungschancen dieser Schülerinnen und Schüler zu verbessern, hat der Bund ein Aufhol-Programm bis zum Ende der Schuljahres 2021/22 in Höhe von einer Milliarde Euro auflegen. die sozialen und psychischen Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen. Die Mittel investieren wir in frühe Bildung, Ferienfreizeiten, Familienerho­lung und zusätzliche Sozialarbeit, diese Mittel kommen über die Länder bei den Trägern direkt an. Viele Bundesländer ergänzen das Bundespro­gramm aus eigenen Mitteln. Natürlich müssen die Maßnahmen bei einem entsprechenden Bedarf über das Schuljahr 2021/22 hinaus verlängert werden und dürfen nicht einfach enden.
       
    • BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN – Kirsten Kappert-Gonther und Michael Labetzke antworten:
      Kinder, Jugendliche und ihre Familien blicken auf eine lange Zeit mit teils harten Einschränkungen während der Pandemie zurück. Es ist derzeit noch nicht vollständig absehbar, wann die Einrichtungen der frühkindlichen und schulischen Bildung, der Kinder- und Jugendhilfe sowie die Freizeit- und Ferieneinrichtungen für Kinder und Jugendliche und ihre Familien mit ihren vielfältigen Angeboten wieder im Regelbetrieb öffnen können. Die Arbeit und Finanzierung der Träger der Kinder- und Jugendhilfe ist Angelegenheit der Bundesländer. In Bremen erfolgt die Finanzierung im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten durch die Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport.   Klar muss auch sein, dass Kinder und Jugendliche wieder mehr in den Blick genommen werden. Während der Pandemie sind sie zu oft aus dem Fokus geraten. Es braucht jetzt zusätzliche Ressourcen, um entstandene psycho-soziale Belastungen zu kompensieren.
       
    • DIE LINKE – Doris Achelwilm und Cindi Tuncel antworten:
      Kinder und Jugendliche waren von den Lockdown-Maßnahmen mit am härtesten betroffen. Deshalb muss nun alles getan werden, um die entstandenen Nachteile abzubauen. Das Programm „Aufholen nach Corona“ ist deshalb überfällig, kommt aber schon sehr spät, der Mitteleinsatz muss größer sein. Insbesondere die Kommunen als Träger von Jugendämtern und -hilfen brauchen regulär verstärkte Mittel, es kann nicht angehen, dass bei den Hilfen zur Erziehung seit Jahren „gespart“ wird. Kostensatzvereinbarungen und notwendige Strukturen müssen bedarfsgerecht ausgestattet werden (können). Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sollten auch bei der Digitalisierung und medienpädagogischen Projekten im Umgang mit digitalen Formaten stärker als bislang finanziell gefördert werden.

       

    • FDP – Volker Redder und Gökhan Akkamis antworten:
      Die Pandemie hat insbesondere die Kinder in unserer Gesellschaft massiv belastet. Eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf hat im Februar rausgefunden, dass fast jedes dritte Kind unter psychischen Auffälligkeiten leidet. Zugenommen haben Sorgen, Ängste, aber auch depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund. Insofern kommt den Trägern der Kinder- und Jugendhilfe eine besondere Bedeutung zu, die wir als Politik auch entsprechend unterstützend begleiten müssen. Wir setzen uns als FDP für eine bedarfsgerechte Finanzierung der Kinder- und Jugendhilfe ein und werden dies auch weiter tun. In Bremen haben wir das in der Vergangenheit bei der Aufstockung der entsprechenden Mittel getan.
       

     


     

    Themenfeld Demokratie und Diversität

    Inwieweit möchten Sie gerne den interkulturellen Dialog zur Aufrechterhaltung der Diversität und Demokratie unseres Landes fördern? (Leonhard Klepikow, Jüdische Gemeinde)

    • SPD – Uwe Schmidt und Sarah Ryglewski antworten:
      Mit einem Demokratiefördergesetz werden wir Vereine, Projekte und Initiativen langfristig fördern und sie besser wappnen gegen die Feinde unserer offenen Gesellschaft. Wir werden das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ weiter ausbauen und hierüber Präventionsprojekte auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene fördern. Demokratieförderung ist eine Daueraufgabe. Deshalb setzen wir uns für ein Demokratiefördergesetz ein, mit dem wir auch perspektivisch demokratische Strukturen unterstützen und Extremismus entgegenwirken können. Wir wollen denen den Rücken stärken, die sich für eine offene, vielfältige Gesellschaft und ein friedliches Miteinander einsetzen.
      Wir sind froh und dankbar, in Deutschland ein so lebendiges jüdisches Leben zu haben. Zahlreiche neueröffnete Synagogen, Ausbildungsstätten für Rabbinerinnen und Rabbiner, Kantorinnen und Kantoren und viele andere Einrichtungen zeugen davon. Das immer vielfältiger werdende Judentum wollen wir stärken und fördern, wo wir können. Bei allen Entscheidungen müssen im ständigen Dialog Bedürfnisse und Erwartungen jüdischer Gemeinschaften einbezogen werden. Hierzu gehört ein sensibler Umgang mit den Traditionen und Gepflogenheiten des Judentums. Bei Fragen von religiösen Feiertagen, Bildungsplänen in Schulen oder der Betreuung in Pflegeeinrichtungen und im Alter muss die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Judentum intensiviert werden.
      Wir werden nachdrücklich gegen Antisemitismus und jegliche Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vorgehen. Die Länder müssen dafür sorgen, dass zum Schutz jüdischer Einrichtungen ausreichende Mittel zur Verfügung stehen und das grundgesetzlich garantierte Versammlungsrecht nicht für rechte Demonstrationen an sensiblen Gedenktagen missbraucht wird. Antisemitismus stellt uns vor neue Herausforderungen bei der Aufarbeitung der NS-Verbrechen und der Shoa. Wir werden die wissenschaftliche Aufbereitung der Zeitzeugenberichte und des Quellenmaterials zur NS-Zeit sowie kleine Initiativen und Gedenkorte besser unterstützen.
      Dass der Bund dem Land Bremen unentgeltlich die Liegenschaft Rekumer Siel für die Nutzung des Denkorts Bunker Valentin in Bremen-Nord überlassen hat, war ein wichtiger Erfolg in dieser Wahlperiode. Die Landeszentrale für politische Bildung muss künftig keine jährliche Pachtzahlung an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mehr entrichten. Die so frei gewordenen Gelder können nun in die historische Aufarbeitung und Aufklärung fließen. In Zeiten, in denen Rechtsradikale wieder Aufwind bekommen, ist die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wichtiger denn je. Nur durch Aufklärung schaffen wir eine weltoffene Gesellschaft, die Intoleranz und jeglicher Relativierung menschenverachtender Diktaturen entschieden entgegen tritt.
       

    • CDU – Thomas Röwekamp und Wiebke Winter antworten:
      Wir erleben die regionale, kulturelle, religiöse und gesellschaftliche Vielfalt in unserem Land als bereichernde Kraft. Die Achtung und Berücksichtigung kultureller Identität ist zudem ein Grundpfeiler der Europäischen Idee und der Europäischen Union. Fördern kann man den interkulturellen Dialog in erster Linie dadurch, dass man ihn ermöglicht und sich daran beteiligt.
       

    • BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN – Kirsten Kappert-Gonther und Michael Labetzke antworten:
      Demokratie ist eine öffentliche Angelegenheit. Der demokratische Meinungsstreit braucht eine starke und lebendige Zivilgesellschaft, Engagement und Bürger*innen- Beteiligung, starke und freie Medien, Kultur, Künste und Wissenschaft, gute Bildungseinrichtungen und starke öffentliche Begegnungsräume. Zur Selbstbestimmung gehört die Anerkennung und der Schutz kultureller Vielfalt einschließlich religiöser Vielfalt sowie der Freiheit, keine Religion zu haben.   Wir alle sind unterschiedlich, aber an Rechten und Würde gleich. Zusammenhalt in Vielfalt setzt voraus, respektiert, anerkannt und gehört zu werden, mitgestalten und teilhaben zu können, ohne Angst frei zu leben und sich als Gleichberechtigte zu begegnen, das Gemeinsame neben den Unterschieden zu sehen. Deshalb werden wir das Leitbild „Einheit in Vielfalt“ zur Gestaltung einer rassismuskritischen und chancengerechten Einwanderungsgesellschaft gesetzlich verankern. Damit die Perspektive und Expertise derjenigen, die von Diskriminierung und struktureller Benachteiligung betroffen sind, gehört werden, sie als Gleichberechtigte die Möglichkeit zur vollen Teilhabe erhalten, wollen wir einen Partizipationsrat, ähnlich dem Deutschen Ethikrat, als ein gesetzlich verankertes und unabhängiges Gremium einführen.  Wir wollen unsere bunte und gleichberechtigte Gesellschaft auch in den öffentlichen Institutionen abbilden. Daher treiben wir die interkulturelle Öffnung der Verwaltung und die Förderung der interkulturellen Kompetenz des Personals voran. Dies ist ein Prozess, der verstetigt und immer wieder angepasst werden muss. Nötig sind mehr Zugänge, mehr Teilhabe, mehr Selbstwirksamkeit und mehr Repräsentanz. Eine gleichberechtigte Gesellschaft braucht Politik, die Strukturen verändert. Rassismus trifft uns nicht alle, aber er geht uns alle an. Wenn wir als Gesellschaft lernen, Vielfalt als kultureller, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Reichtum zu begreifen, schützen wir uns gegenseitig vor Gewalt, Hetze, Ausgrenzung, Frauenhass, Queerfeindlichkeit Rassismus und Antisemitismus . Aber das reicht noch nicht. Wir wissen, dass aus diskriminierenden Worten Taten werden. Die Angriffe von Demokratiefeind*innen, insbesondere von rechts, treffen unsere demokratische Gesellschaft bis ins Mark. Sie zielen auf Menschen beim Beten, beim ausgelassenen Beisammensein oder in den Institutionen des Staates. Ihnen muss mit einer antirassistischen und antifaschistischen Haltung klar entgegengetreten werden. Unsere Demokratie muss wehrhaft dagegenhalten, mit einer starken Zivilgesellschaft, selbstbewussten Parlamenten, einer gut ausgestatteten und bürger*innennahen Polizei und einer schnell handlungsfähigen, unabhängigen Justiz. Es ist Aufgabe der Politik, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. 
       

    • DIE LINKE – Doris Achelwilm und Cindi Tuncel antworten:
      Es steht außer Frage, dass der interkulturelle Dialog nicht nur in feierlichen Reden, sondern in der konkreten Praxis hochgehalten und gefördert werden muss, ob in Kita und Schule oder Zivilgesellschaft. Dazu gehört, dass z.B. über ein Bundespartizipationsgesetz dafür Sorge getragen wird, den Anteil unterrepräsentierter Gruppen im Öffentlichen Dienst und in Führungspositionen verbindlich zu erhöhen. Initiativen, die sich vor Ort gegen Rassismus und Antisemitismus engagieren, müssen durch Bundesprogramme dauerhaft unterstützt werden statt von einer Haushaltsdebatte zur nächsten um ihre Perspektive und Planungssicherheit fürchten zu müssen. In vielen Zusammenhängen ist es leider auch nach wie vor erforderlich, dass Gewalt gegen Minderheiten ernster genommen und strukturell bekämpft wird. Wir wollen keine gespaltene Gesellschaft, sondern eine, die Zusammenhalt und Demokratie lebt und auf soziale Garantien des Staates statt Konkurrenz- und Existenzdruck setzen kann.
       

    • FDP – Volker Redder und Gökhan Akkamis antworten:
      Der interkulturelle Austausch ist besonders wichtig. Gegenseitiges Verständnis ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Frieden entscheidend. Wir unterstützen daher alle Einrichtungen und Institutionen, die sich dafür einsetzen und diese wichtige gesellschaftliche Funktion einnehmen.
       

    Die LAG bedankt sich bei allen Beteiligten!

    Wir sind telefonisch für Sie da 0421 14 62 94 40

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