Hintergrund:
Eine Bezahlkarte für Personen im Asylbewerberleistungsgesetz kann sinnvoll und diskriminierungsfrei in der Phase der Erstaufnahme für Asylsuchende eingesetzt werden, solange noch kein persönliches Bankkonto vorhanden ist. Laut der Beschlussfassung der Konferenz der Ministerpräsident:innen vom 06.11.2023[1] wird jedoch beabsichtig, bundesweit eine Bezahlkarte einzuführen und diese auch über die Zeit der Erstaufnahme hinaus einzusetzen, um Barauszahlungen für Leistungsempfangende einzuschränken.
Forderungen der LAG:
Die meisten Geflüchteten kommen aus Krisen- und Kriegsgebieten. Sie sind auf der Suche nach einem sicheren und geschützten Leben. Dafür verlassen Sie ihre Familien, ihr Zuhause und begeben sich auf einen Weg der Unsicherheit. Die Idee, sich solcher Gefahren für Leib und Leben auszusetzen, um dann Sozialleistungen in Deutschland zu beziehen, ist aus unserer Sicht eine Umdeutung von Tatsachen. Die Einführung der Karte darf nicht den Zweck verfolgen ein Abschreckungsinstrument für Geflüchtete zu sein. Sie sollte stattdessen die Integration vorantreiben, eine selbstbestimmte Lebensführung fördern und eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Deshalb müssen, aus Sicht der LAG, uneingeschränkte Bargeldabhebungen, Überweisungen und Einzugsermächtigungen möglich sein. Die Bezahlkarte darf nicht zu einer Entmündigung der Betroffenen führen. Die geplanten und die bereits als rechtswidrig erkannten pauschalen Einschränkungen bei der Bargeldauszahlung führen aus Sicht der LAG zu einer massiven Einschränkung der persönlichen Lebensführung.
Eine Bezahlkarte für Geflüchtete ist zeitgemäßer, als das aktuelle Auszahlungsverfahren mit langem Anstehen für Bar-Auszahlungen bei der Behörde. Wir fordern, dass die Bezahlkarte als unbeschränktes digitales Zahlungsmittel nur für eine Übergangszeit, bis die Betroffenen ein individuelles Bankkonto einrichten können, eingeführt wird. Außerdem muss aus Sicht der LAG die Bezahlkarte diskriminierungsfrei ausgestaltet sein. Sie muss analog zu allen anderen Debit- bzw. EC-Karten funktionieren und sowohl in allen Geschäften und für alle Dienstleistungen (auch bei der BSAG und bei Ärzten) einsetzbar sein.
Eine Beschränkung bei der Bargeldabhebung lehnen wir ab. Bargeld ist in Deutschland nach wie vor als alltägliches Zahlungsmittel unerlässlich. In sozialen Kaufhäusern oder auf Flohmärkten ist das Bezahlen bisher überwiegend nur mit Bargeld möglich. Eine Beschränkung für Bargeld sehen wir daher als kontraproduktiv an.
Für die Mitarbeitenden der Landesaufnahmestellen und der Übergangswohnheime wird es automatisch zu einem Mehraufwand bei der Betreuung kommen, da sich die Geflüchteten bei Problemen mit der Bezahlkarte an die Ihnen vertrauten Ansprechpartner:innen wenden. Wir erwarten, dass die Landesaufnahmestellen rechtzeitig über den Zeitpunkt der Einführung informiert werden, dass Informationsmaterial zu der Bezahlkarte in verschiedenen Sprachen vorliegt und dass es Kontaktpersonen in der Behörde gibt, die schnell bei einem Defekt der Karte oder anderen Problemen für den Ersatz der Karte sorgen.
Die Einführung der Bezahlkarte ist aktuell mit erheblichen Problemen behaftet. Das Ausschrei-bungsverfahren stockt. Eine pauschale Bargeldbeschränkung ist, laut Sozialgericht Hamburg, gesetzeswidrig. Die Einführungs- und Unterhaltungskosten sind noch unklar. Deshalb sollten schnellstmöglich die offenen Fragen geklärt und die Ausgestaltung der Bezahlkarte definiert werden.
Zusammenfassend stellt die LAG fest:
Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Bezahlkarte zu einer Entlastung bei den Verwaltungstätigkeiten führt. Eine Bezahlkarte ist ein zeitgemäßes Zahlungsmittel, wenn sie diskriminierungsfrei und ohne Nutzungsbeschränkung eingeführt wird. Sobald die Menschen jedoch über ein individuelles Konto verfügen können, ist die Bezahlkarte durch eine reguläre Debitkarte zu ersetzen.
Wir wünschen uns zukünftig eine sachliche Diskussion um die Einführung der Bezahlkarte, bei der der integrationsfördernde Gedanke für die Menschen im Vordergrund steht.
[1] (https://hessen.de/sites/hessen.hessen.de/files/2023-11/mpk_bundeskanzler_6.11._top_6_fluechtlingspolitik.pdf)